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Um 19:33 Uhr begrüßte die Sitzungspräsidentin vom Damenkomitee Annette Stieglitz ihr bunt verkleidetes Publikum, bevor das Herrenballet "First Generation" die Hormone der weiblichen Gäste in Wallungen brachte. Die Bombenstimmung knickte nicht ein, sondern hielt sich bis in die Nacht.
Durchtrainierte, schwitzende junge Mannsbilder - einen besseren Start ins Programm der 2. Damensitzung hätte sich das Demenkomitee vom Carnevalsverein Schierstein (CVS) nicht aussuchen können! Als Mumien verkleidet bewegten sich die Herren der Schöpfung authentisch zu Dance-Beats, bevor sie einen als Pharao verkleideten Kollegen in die Luft hebten. Die gute Laune des Balletts schwappte sofort zu den weiblichen Gästen über.
Nicht nur muskulöse Oberarme gab es zu begaffen - die Requisite war genauso ein Augenschmaus: Kollege Pharao, welcher dank der Akrobatikkünste seiner Mittänzer die Spitze des Menschenturmes bildete, spannte völlig unerwartet seine goldenen Flügel. Diese waren mit Lichterketten besetzt und mit von solch' großem Durchmesser, dass das komplette Bühnenbild gold glitzerte. Spätestens jetzt hatte die Truppe "First Genration" die kreichenden Damen um den Finger gewickelt. Eben noch Mumien, verwandeltete sich das Männerballett in Ägypter, die sich zu einer Pyramide formten.
Selbstverständlich musste eine Zugabe her, die man nicht besser hätte machen können: Mit sexy Hüftschwung zu orientalischen Klängen wurde schließlich auch die letzte Lady im Saal zum Schwitzen gebracht.
Die 1. Frauenbeauftragte Susanne Egert bewies eine ordentliche Portion intelligenten Witz mit ihrem Vortrag. Zentrales Thema war die Überlegenheit der weiblichen Krone der Schöpfung gegenüber den Männern.
Dabei wurde keine Persönlichkeit aus aktuellem Zeitgeschehen ausgelassen: Frau Merkel, Rainer Brüderle, "das Frettchen aus Limburg " Tebartz-van-Elst, Berlusconi, Obama, DSDS-Titan Bohlen aber auch die Bundeswehr mussten dran glauben.
Im Auftrag der Chancengleichheit betonte die Frauenbeauftragte stets "Männer, das Karriere mache - in Zukunft ist das Frauensache" und erntete dafür tosenden Applaus. Zur vom Aussterben bedrohten FDP fiel der Schenkelklopfer "Rainer Brüderle soll in Mainzer Kneipen gesehen worden sein, wie er von Tisch zu Tisch ging und gesagt hat 'Wolle Rösle kaufen?'".
Selbstverständlich durften die NSA, Obama und Frau Merkel nicht fehlen: "Obama kriegt vorher schon mit, welche Entscheidung Merkel trifft - sie trifft nur keine."
Für Gesichtslähmungen vor lauter Lachen wurde also gesorgt.
Eine riesige, schwarze Leinwand mit dem weißen Apple-Logo schmückte anschließend das Bühnenbild. Mit dem Programm "Gefangen im Netz" startete das Aarbergener Männerballett "No Ma'am Club" seine Choreographie und lies zu den Klängen des 90er-Jahre Hits "Lonely" von Nana erahnen, wie einsam man paradoxerweise werden kann, wenn man den ganzen Tag nur noch auf Computerbildschirme und Smartphone-Displays starrt.
In weißen Ganzkörperanzügen, bestickt mit den Logos der Social Media-Portalen Facebook, Twitter und Googel Plus, stand der "No Ma'am Club" an Fitness und Akrobatik den jüngeren Kollegen von "First Generation" in nichts nach. Auch an Witz mangelte es bei der Performance nicht: Mit Schildern, wie "Grad 'n Keks gegessen" als typischer Facebook-Post, verliehen sie ihrem kritischen Tenor Ausdruck.
Bei einer Zugabe brachte die Truppe die Wichtigkeit von Tanz, Freundschaft und Liebe mit einem großen Herz aus Pappe, bestickt mit viel rotem Lametta, zum Ausdruck.
Frank Böhme, alias "Muttersöhnchen Heinz", wurde mit viel Ironie von Annette Stieglitz als "charmant"und "immer gut gekleidet" angekündigt. Mit Hosenträgern, arg hochgezogener Hose, Brille und leicht gekrümmter Haltung stand dieses "Bild von einem Mann" schließlich auf der Bühne und konnte mit seinen Anekdoten aus dem Hotel Mama und den eher naiven Erfahrungen mit der Materie Online-Dating das Publikum absolut für sich gewinnen. Die Witze des "Frauenmagneten" trafen absolut den Geschmack der lachenden Menge.
Die Männershowtanzgruppe "Set Up" aus Ginsheim hielt die Lachmuskeln weiterhin auf Trab. Die Mischung aus Garde-Tanz, Comedy und Gesang hatten der "Uffstumber unn sei' Azubi" gemeinsam mit dem Rest der Truppe absolut drauf. Als das "Mädchen" der Truppe - ein Riese im Gardekleid und blonder Zöpfchenperücke - die Bühne betrat, musste zunächst mal erzählt werden, wie man die hübsche, jungfräuliche Dame mit tiefer Stimme, kennengelernt hat:
"Doa warnmer auf der Gibbä Käbb!Da war so 'ne Bud'....mit....Bichse" - An dieser Stelle konnte sich das Publikum vor Lachen nicht mehr zusammenreißen. "Bichse...werfe...Jeder vunn uns hot mol werfe... därffe."
Und die Pointe: "Un?! Woas hämmer gwonn? Die Edelbichse, da steht se!"
Den anschließenden dreifachen Tusch hatten sich die Jungs mehr als verdient!
Nein, es handelt sich hierbei nicht um einen Abklatsch von Cindy aus Marzahn. Ganz im Gegenteil! Markus Karger stampfte als Ursula Kraft mit seinen locker über Hundert Kilo auf die Bühne und erzählte mit einer knochenmarkdurchdringend krächenzenden Stimme davon, wie sie als Repräsentantin des hessischen Durchschnittbürgers vom Computer ausgespuckt wurde - als stark übergewichtige Frau mit Merkel-ähnlicher Perücke, Leopardenshirt und einer hellen Stoffhose, durch die sich der enorme Bauch mehr als durchzeichnete.
"Ursula...du bist nicht mehr ganz jung, aber aach noch net am Verfallsdatum...du bist des, was jeder Camembert wär': mittelalt. Mittelalt, nahtlos weiß und mit 'nem ordentlichen Fettgehalt." - bei dem Kracher füllte sich die Georg-Lange-Halle mit schallendem Gelächter, Gegröhle und Applaus.
Man nahm Markus Karger die adipöse, leicht hysterische Hessin mittleren Alters nicht nur durch das urkomische Outifit, sondern am allermeisten durch die professionelle schauspielerische Leistung ab. Der gleichen Meinung waren die Gäste, die irgendwann dazu übergingen mit lauten "Ursula! Ursula!" - Rufen den Künstler mehr und mehr anzufeuern. Lange hielt es die Menge auch nicht auf den Bänken aus. Als Ursula ihr Lied anstimmte und dazu ihre Körpermasse schon fast hypnotisierend in Bewegung brachte, stand der gesamte Saal, klatschte und tanzte mit.
Das Herrenballett "Die Dodos" aus Dotzheim kommt jedes Jahr und wusste die Östrogen-geladene Menge zu beflügen: In weißen Muskelshirts und khakifarbenen Hosen versprühte die Truppe einen sexy, militärischen Hauch - nicht zuletzt, wegen der akrobatischen Einlagen mit Liegestützen, bei denen die Mädels sich die Kehlen wund kreichten.
Mit der Hofheimer Musikgruppe "Die Zigeuner" kam die Sehnsucht nach Sommer, Sonne und Strand: Die Truppe, bestehend aus Musikern und Tänzerinnen, schaffte es mit Evergreens wie "Macarena", "Mambo Number 5" und "Volare" alle gedanklich in den Süden zu versetzen. Die Mischung aus Livegesang, wunderschönen blau/grün schimmernden Concón-Kleidern machte die Zigeuner zu einem wahren Ohren- und Augenschmaus, was gerade bei den jüngeren Mädels super gut ankam.
Man musste Bernd Bruch als "Tiger Lilly" eigentlich schon gar nicht mehr vorstellen. Kaum betrat er in seinem ultra kitschigen, pink glitzernden Kleid mit weit ausstehenden Hüftpolstern und rot gelockter Kurzhaar-Perücke die Bühne, tobte bereits die Menge in "Scha-hierstein". Wer ihn noch nicht kannte, brauchte vielleicht einen Augenblick, um seine Worte zu entziffern. Typisch für ihn ist nämlich ein Sprachfehler, bei dem er die Silben unendlich in die Länge zieht.
Nicht nur diese Eigenart machte "Tiger Lilly"s Performance aus, sondern auch das Einbinden des Publikums. Zwei Mädels, die mitten im Programm zu ihren Sitzen huschten, schrie er an mit "Kommt ihr jetzt erst? Sind die Karten jetzt billiger oder was?"Selbst unsere Fotografin musste dran glauben, als sie nah dran war um ordentliche Bilder zu knipsen: "Haste überhaupt 'nen Film drin?"
Als "Tiger Lilly" von der Einweihung einer "Stri-hiptease-Bar" erzählte, musste schließlich ne Ausziehnummer zum Lied "Blurred Lines" folgen, wonach sie dann nur noch in nem silber-glitzernden Ganzkörper-Body auf der Bühne stand.
Auch diese Nummer kam mehr als gut an, sodass man sich wirklich fragen musste, woher die Gäste überhaupt noch die Kraft und Stimme zum Lachen her nahmen.
Zur Musik zum Film "Fluch der Karibik" segelte ein Piratenschiff aus Laken, gefüllt mit Piraten auf die Bühne. Die Rede ist vom Männerballett "Die Gockel" vom Carnevalsverein Taunusstein, welches sich mit den Kostümen und dem Bühnenbild große Mühe gegeben hatten. Während der Performance wurde dann die Piratenkluft abgelegt und neben zerfetzten dunklen Shorts kamen enge Shirts mit aufgemalten, durchtrainierten Oberkörpern zum Vorschein. Das Bild erinnerte ein wenig an die Chippendales - nur dass die tatsächlich oben ohne tanzen. Nichtsdestotrotz konnten die Gockel tänzerisch ihren amerikanischen Vorbildern durchaus das Wasser reichen.
Stefan Orf wirkte als Domina wie ein Unfall: Im Lederrock, mit Cat-Woman-Käppchen, Strapsen und weißen Bommeln auf der Brust erzählte er aus dem Alltag einer professionellen Domina. Und als hätten die Gags aus der Sadomado-Szene als Schenkelklopfer nicht gereicht, packte die Domina schließlich noch eine Pole-Dance Stange aus Pappe aus und legte eine zum Heulen komische Performance zum Hit "Alors on dance" hin.
Auch wenn Männer keinen Zutritt zur 2. Damensitzung in Schierstein hatten, so mangelte es nicht auf der Bühne an ihnen. Das Herrenballett "Atzmann Tornados" aus Heidenrod, bestehend aus sage und schreibe 12 Männern, beweisen wie ihre Kollegen zu Beginn des Abends ebenso großes Geschick. Zu Euro-Dance Musik ließen sie ihre Muskeln spielen - nicht nur tänzerisch, sondern auch beim Hochstapeln zu einem Turm.
Jürgen Schneider hatte im Anschluss wenig Mühe die Damen im Saal bei Laune zu halten - Mit Live-Gesang schmetterte er einen Kranevalsklassiker nach dem anderen, darunter Lieder wie "Viva Colonia", "Schatzi, schenk' mir ein Foto" und Wolfgang Petrys "Wahnsinn". Die Menge war ja eh schon gut drauf, aber spätestens jetzt saß nicht eine Frau mehr still. Bei "Wahnsinn" hörte man einen fast schon perfekt einstudierten Chor, bestehned aus sämtlichen Gästen.
Das Hohensteiner Showtanzballett Strinz Margaräthe entführte auf tänzerische Art und Weise sein Publikum zu einer Reise von Moskau nach Paris. Die Tänzerinnen und Tänzer trugen beeindruckend schöne grün/schwarze Kostüme, die pompöser und glanzvoller nicht hätten sein können. Tänzerisch setzten sie das Thema genauso gut um, indem sie mit einem Riverdance-ähnlichem Tanzstil zu einem Dubstep-Remix von "River flows in you" die Beine zu schwingen wussten.
Anmutig und liebreizend wurde das Thema Moskau schließlich von den Damen der Gruppe umgesetzt: In Tüllröckchen wussten sie perfekt Schwäne zu verkörpern bevor es nach Berlin als Zwischenstation ging.
Und was wäre Paris als letzte Station, ohne den berühmten Cancan-Tanz? Zu Jacques Offenbachs Klassiker "Cancan" sah man in Strapsen gepackte Beine schwingen, aber das Highlight schlecht hin waren die Cancan-Kleider insgesamt: Die eEnge Korsagen, der aufwendige Federschmuck, der die Köpfe der Damen schmückte und die Lagen von pink/blauen Stoffen der Rücke, die zu einem wundervollen Farbenspiel auf der Bühne geschwungen wurden, waren ein absolutes Augenschmankerl'. Mit viel Freude und Professionalität hat das Ballett Strinz Margaräthe die Gäste in den Bann ziehen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Schierstein hat mehr zu bieten, als das allseits bekannte Hafenfest. Nicht umsonst waren die Karten für die Damensitzung schon lange vorher ausverkauft. Wer dort war, kommt nächstes Jahr sicherlich wieder!
Fotos: Angela Bottiglieri