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Die Statistik spricht für sich, die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit Waffen steigt seit Jahren überproportional an. Wurden in Hessen 2013 865 Delikte dieser Art dokumentiert, waren es 2017 bereits 1.194, das entspricht einem Anstieg von 38 Prozent. In Wiesbaden ist der Trend nicht anders. Hier verzeichnete die Polizei 2016 20 Straftaten im Zusammenhang mit Waffen und 2017 40, eine Steigerung von 100 Prozent, die die zuständigen Behörde unter der Leitung von Ordnungsdezernent Dr. Oliver Franz veranlassten, dem Antrag der Jungen Union zu folgen und in Wiesbaden eine Waffenverbotszone einzurichten, um damit den eindeutigen Trend umzukehren.
Waffenverbotszone bedeutet konkret, dass in einem genau definierten Bereich der Wiesbadener Innenstadt (siehe verlinkte Artikel) auch ansonsten erlaubte Gegenstände und Waffen in der Zeit von 21:00 und 5:00 Uhr nicht mitgeführt werden dürfen. Dies ist so in Hessen bisher einzigartig.
Dabei betonte Bürgermeister Dr. Oliver Franz, dass für die Vertreter der Ordnungsbehörde stets der Opportunitätsgrundsatz gelte. Das heißt, die Stadtpolizisten entscheiden bei ihren Kontrollen ob und wann eine Waffe oder ein waffenähnlicher Gegenstand eingezogen wird oder nur eine Ermahnung erfolgt. Dabei betonte Franz, dass die Einsatzkräfte selbstverständlich sehr genau zwischen einer alten Dame auf dem Weg ins Kurhaus, in deren Handtasche eine Nagelfeile schlummert und einer randalierenden 19-Jährigen, die mit ihrer Nagelschere im Anschlag durch die Fußgängerzone streift, unterscheiden können. Dasselbe gilt für Handwerker, die ihr entsprechendes Werkzeug mit sich führen.
Gerade jetzt zum Start des Verbotes sollen die Einsatzkräfte in erster Linie auf die Neuerung hinweisen. In wenigen Wochen wird es auch eine entsprechende Beschilderung geben. Diese ist zwar nicht rechtliche Voraussetzung für die Umsetzung, wird jedoch unterstützend wirken, meint Hans-Peter Erkel, Leiter der Stadtpolizei. „Design und Text stehen schon und bis Ende Januar werden alle Schilder montiert sein. Die Entscheidung kam so schnell, dass – aufgrund der Feiertage zwischen den Jahren – die Umsetzung etwas mehr Zeit in Anspruch nahm“, ergänzt Erkel noch.
Auch er ist sich sicher, das seine Mitarbeiter, genauso wie die Kollegen der Polizei das nötige Augenmaß und Fingerspitzengefühl haben, um im Januar die kontrollierten Bürgerinnen und Bürger zunächst zu informieren oder bei Bedarf zu belehren. „Die Uniformierten tragen schon allein durch ihre Präsenz zum Sicherheitsgefühl der Menschen bei“, bemerkt Heike Paul, Leiterin des Ordnungsamtes in Wiesbaden.
Diese Aussage ist besonders Interessant, wenn man die Gründe beleuchtet, aus denen - meist junge Männer - Waffen bei sich tragen. An erster Stelle steht die Aussage, dass man für den Verteidigungsfall bereit sein möchte. Andere wissen dies und halten, zu ihrer vermeintlichen Sicherheit, zum Beispiel Pfefferspray bereit. Diese „Waffenspirale“ will Bürgermeister Franz unterbrechen. Aus seiner Erfahrung als Jurist weiß er: „Oft fehlt den jungen Menschen die Vorstellung, dass sie bei der Anwendung dieser Mittel ganz schnell selbst zum Mörder oder Totschläger werden können.“ Für Polizei und die Justiz gilt die Formel: „Messer machen Mörder“. Trauriges Beispiel ist der Fall in der Wiesbadener Fußgängerzone im Sommer 2017 (siehe verlinkter Artikel), in der eine Auseinandersetzung unter jungen Männern mit einer tödlichen Stichverletzung endete.
Und wenn reden nichts mehr hilft, überzeugen vielleicht die drohenden Strafen bei Verstoß. Die Bußgelder sind saftig – finden die Einsatzkräfte Waffen, für die eine Waffenbesitzkarte notwendig ist, werden bis zu 10.000 Euro, für andere bis zu 5.000 Euro fällig.
Beim Rundgang fällt auf, dass die Polizeipräsenz Aufmerksamkeit erregt. Auch um den Polizeihund, der in einer Gruppe mitgeht, machen viele (zu Recht) lieber einen großen Bogen. In der Wellritzstraße treten die Gastronomen auf die Straße, um zu erfahren, warum es einen solchen Aufmarsch gibt. Viele finden es OK, dass kontrolliert wird. Andere machen sich darüber lustig. In der Kirchgasse kommt es zu ein paar Pöbeleien gegenüber der Polizei. Die bleiben gelassen: „Die Mehrfachtäter in Wiesbaden kennen wir alle persönlich. Aber wir wollen auch ein waches Auge auf den „Nachwuchs“ haben. Wehret den Anfängen.“
Gegen ein Uhr ist an der Ecke Langgasse/Bärenstraße noch Betrieb, zwei junge Frauen verabschieden sich voneinander, die eine geht Richtung Kranzplatz, die andere weiter in Richtung Mauritiusplatz. Ich spreche sie an und frage, ob sie Angst hat, jetzt alleine weiterzulaufen. Sie sieht mich erstaunt an. "Nein, ich habe auch schon in anderen Städten gewohnt, aber hier ist es meist total friedlich. Ich wohne seit einiger Zeit in der Innenstadt, mir ist noch nie etwas aufgefallen. Außerdem ist meist Polizei unterwegs, da fühle ich mich ziemlich sicher."
Übrigens, es empfiehlt sich, immer Ausweispapiere bei sich zu haben. Bei den Kontrollen hätten einige Personen den Prozess deutlich abkürzen können, wenn sie gültige Dokumente bei sich getragen hätten. So ging es erstmal mit auf die Wache, um die Angaben zur Person auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Am ersten Wochenende waren Nachts 20 Polizisten und elf Kräfte der Stadtpolizei in gemischten Fünfer-Teams im Einsatz. Insgesamt wurden 190 Personen kontrolliert. Dabei wurden fünf Messer sichergestellt und die entsprechenden Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.
Bei einer Person wurde eine Kleinstmenge an Marihuana aufgefunden und sichergestellt. Auch hier fertigten die Beamten eine entsprechende Strafanzeige. Eine Person randalierte und widersetzte sich den Maßnahmen der eingesetzten Beamten. Eine Anzeige wegen Widerstandes wurde vorgelegt. Die Person konnte im Anschluss entlassen werden.
Die Waffenverbotszone ist ein Punkt des insgesamt zehn Punkte umfassenden Sicherheitskonzeptes der Stadt Wiesbaden.
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Fotos: Petra Schumann