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Wenn man rein zufällig eine der Hallen in Breckenheim, Naurod oder Nordenstadt betreten würde und nicht wüsste, was die Menschen dorthin verschlagen hat, könnte man meinen, es handele sich um eine Reisegruppe, die zufällig hier gestrandet ist. Kinder flitzen auf Bobbycars zwischen den Feldbetten hin und her. Menschen essen, trinken oder ruhen auf einem der Feldbetten, die mit Kissen und warmen Decken ausgestattet sind.
Aber etwas ist anders, denn neben Essen und Schlaf bekommen die Menschen bei Bedarf auch Kleidung oder ein Gesprächsangebot von Seelsorgern, die mit Hilfe von freiwilligen Übersetzern ein offenes Ohr für mögliche Sorgen und Nöte haben. Diese Menschen habe schlimmes, furchtbares und für uns nicht vorstellbares erlebt. Dort wo sie herkommen ist Krieg! Schießereien, Bomben, Vergewaltigungen und Mord. Die Menschen haben teilweise alles verloren, neben Hab und Gut auch geliebte Familienangehörige, die ums Leben gekommen sind.
Auch die Helfer können auf das Angebot der Seelsorger zurückgreifen, denn auch für die Freiwilligen bedeutet die Arbeit vor Ort ein Höchstmaß an körperlicher und psychischer Belastung. Organisatorisch liegen jedoch alle im Plan. Fast pünktlich erscheint die Wachablösung und übernimmt routiniert die Aufgaben vor Ort. Auch hier überrascht die gute, ruhige und reibungslose Zusammenarbeit der Helfer vom Roten Kreuz, den Johannitern oder des Arbeiter Samariter Bundes, sowie den vielen freiwilligen Bürgern und der Polizei.
Zahlreiche junge Menschen aus Wiesbaden sind gekommen, spielen und malen mit den Kindern und versuchen sich mit den Flüchtlingen zu verständigen. Aber auch viele ältere Menschen im Rentenalter haben den Weg in die Hallen nicht gescheut und suchen Kontakt zu den Ankömmlingen. Die gedämpfte Stimmung wird hier und da durch ein Lachen unterbrochen, ansonsten ist es, bis auf den fröhlichen Lärm der spielenden Kinder, eher ruhig.
Wer glaubt, dass die Flüchtlinge planlos nach Deutschland gekommen sind irrt. Bereits am Mittwochvormittag machen sich die ersten wieder auf den Weg, denn ihre Reise ist in Wiesbaden noch lange nicht zu Ende. Frisch geduscht und durch ein Frühstück gestärkt, packen sie ihre Koffer, Rucksäcke oder Tüten und fahren mit Linienbussen an den Bahnhof. Ihre Ziele heißen Berlin, Rostock, Tuttlingen und Schweden, denn dort warten bereits ihre Familien oder Freunde auf sie. Viele besitzen Bargeld, da sie ihre Flucht länger planen konnten und in ihrer Heimat alles zu Geld gemacht haben, was sie nicht mitnehmen konnten. Am Mittwochnachmittag sind nur noch rund 60 Personen von den in der Nacht angekommenen 160 Personen in der Breckenheimer Halle, wer kann, ist schon wieder auf der Reise zu seinem Ziel.
Wir sprechen mit Muzen Yazbek, der Syrer erzählt, dass sein Geschäft in Syrien zerstört wurde. Da habe er seine zwei Kinder genommen und das Land verlassen. Yazbek reist mit circa acht weiteren Männern mittleren Alters, die Gruppe möchte nach Schweden. Nach unserem Gespräch, packen die Männer ihre Ruck- und Schlafsäcke und machen sich auf den Weg zum Hauptbahnhof. Beim weggehen drehen sie sich noch einmal um, lächeln, winken und bedanken sich für die freundliche Hilfe, die ihnen hier zu Teil wurde. Ein kleiner Moment des Glücks auf einer monatelangen Odyssee.
Für die Helfer vor Ort wird es erst einmal ruhiger, aber von Entwarnung kann keine Rede sein, der nächste Zug mit Flüchtlingen wurde bereits angekündigt. Mal sehen was die nächsten Tage bringen. Was den Helfern neben der großen Belastung bleibt, sind die kleinen menschlichen Momente und die Dankbarkeit derjenigen, denen sie für eine kurze Zeit helfen konnten und das selbstgemalte "Willkommen" Schild der Nordenstadter Kinder, das bunt und fröhlich in der Eingangstür der Sporthalle hängt. Diese Ankunft hat viele Menschen in Wiesbaden bewegt und auch berührt, was mach nicht zuletzt an der Hilfebereitschaft und den vielen Sachspenden sieht.
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