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Bei Gewaltverbrechen schlagen die Wellen in der Bevölkerung immer hoch. Ganz besonders, wenn der oder die Täter das Opfer nicht willkürlich oder zufällig ausgewählt haben, sondern hinter der Tat eine geplante Absicht steht.
So unlängst geschehen in Langenhain und in Auringen. Mit einem Unterschied, während der mutmaßliche Kloppenheimer Täter in Langenhain eine 22-jährige Frau mit einem gezielten Schuss in den Kopf tötete "Wiesbadener nach Tötung einer 22-Jährigen in Langenhain festgenommen", erstach in Auringen ein 21-jähriger Bundeswehrsoldat den Hund seiner Nachbarin mit einem Stich ins Herz. Beide Verbrechen unfassbar grausam, skrupellos und niederträchtig.
Befremdlich sind die extrem unterschiedlichen Reaktionen der Bevölkerung im Netz auf die beiden Bluttaten. Als Online Medium kann die Redaktion von Wiesbadenaktuell die Klicks, Kommentare und geteilten Artikel exakt nachvollziehen und die lassen deutliche Unterschiede erkennen.
Zum Tod der 22-Jährigen erschienen bisher zwei Artikel auf der Plattform von Wiesbadenaktuell. Zusammen wurden die beiden Artikel gut 22.000 Mal weniger angeklickt, als der Artikel über die Tötung des Collies. Noch auffälliger wird der Unterschied, wenn man die Kommentare betrachtet. Zum Tod der jungen Frau äußerten sich auf der Wiesbadenaktuell-Facebookseite 175 Leser, die Tötung des Hundes wurde bisher über 1.000 Mal kommentiert.
Auch die Art der Kommentare unterscheidet sich eklatant. Wurde der Name des Mörders der jungen Frau von keinem Kommentator genannt, veröffentlichten mehrere Kommentatoren das Facebook-Profil des 21-Jährigen und zahlreiche Personen drohten mit Selbstjustiz. Selbst in Facebookgruppen, die sich explizit auf die Fahne geschrieben haben, Hass-Kommentare nicht zuzulassen, äußern selbst die Admins zumindest Verständnis für die Gewaltfantasien der Leser.
Eine weitere Besonderheit zeigt sich beim Teilen des Artikels. Die beiden Artikel über den Mord an der 22-jährigen Frau wurden etwas mehr als 100 mal geteilt, der Artikel über das Verbrechen am Collie bis heute über 730 mal.
Bereits 24-Stunden nach der Veröffentlichung gibt es FB-Gruppen, die zur gemeinsamen Trauer und Hilfe für die Besitzerin des Hundes aufrufen. Ob für die 22-jährige Frau und ihre Freunde und Familie eine Gruppe gegründet wurde, ist nicht bekannt.
Diese Zahlen werfen Fragen auf! Welcher gesellschaftliche Wandel hat dazu geführt, dass Gefühle wie Trauer, Empathie, Mitgefühl, Ohnmacht, Wut und Hass durch den Tod eines Tieres weitaus mehr getriggert werden, als ein vergleichbares Verbrechen an einem Menschen? Warum lassen sich nach der Tötung eines Tieres mehr Personen zu einem Ruf oder der Billigung nach und von Selbstjustiz hinreißen, als nach dem Mord an einem Menschen?
Sind wir durch tägliche Gewaltdarstellungen an Menschen in den Medien abgestumpft? Trifft uns der Tod eines Tieres mehr, weil wir von der absoluten Unschuld des Tieres ausgehen? Haben wir beim Tod eines Menschen Bedenken, dass der- oder diejenige vielleicht ein klitzekleines bisschen selbst daran schuld gewesen sein könnte?
In jedem Fall eine verstörende Entwicklung, die sich durch die Klick-Zahlen der letzten Jahre auf der Plattform Wiesbadenaktuell belegen lässt. Immer wieder erreichen hier Artikel über misshandelte Tiere die höchsten Reichweiten.
Sind diese Zahlen die Folge eines immer größer werdenden Misstrauens der Menschen untereinander? Finden sich im Netz mehr einsame und von der Menschheit enttäuschte Frauen und Männer, die die Gesellschaft eines Tieres der eines Menschen vorziehen, weil sie sich dieser Liebe sicher sein können? Macht die Tastatur tabulos? Schreiben die Menschen anders, als sie sich im vier Augengespräch äußern würden? Würden Befragungen auf der Straße andere Ergebnisse bringen? Was bewirken die Drohungen im Netz? Stacheln solche Dialoge am Ende so auf, dass sich Leute über die Justiz hinwegsetzen und das Recht in ihre Hände nehmen?
Haben wir uns in den vergangenen Jahrhunderten tatsächlich nicht weiter entwickelt und nutzen wir die Sozialen Medien als modernen Marktplatz, auf dem, wie im Mittelalter, Verbrecher in Schandgeigen ausgestellt, bespuckt und mit Steinen beworfen wurden, bevor man sie auf dem Scheiterhaufen verbrannte?
Die Kommentare in den Sozialen Medien lassen das vermuten und sind genauso verstörend, wie die beiden hier exemplarisch aufgeführten Taten. Vor allem, wenn in einer Art Übersprungshandlung alle, die sich nicht mit der Meinung des Mainstreams committen, sofort auf die Stufe des Täters gestellt werden. Mit welchen Folgen? Das am Ende der Mob die Nerven verliert und statt durch das Netz zu geifern, mit Stöcken und Steinen bewaffnet durch die Straßen streunt, wie in einem Endzeitszenario?
Darüber müssen wir nachdenken und reden. Der Schritt von der Demokratie zur Autokratie, in deren Dunstkreis die Díktatur lauert, ist nur ein ganz kleiner - wehret den Anfängen!
In der InfoBox haben wir einige Artikel für Sie zusammengestellt, wie die Stadt auf das zunehmende Unsicherheitsgefühl in der Wiesbadener Bevölkerung reagiert.
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Umfragen in Wiesbaden zeigen, dass das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung abnimmt. Aktuell läuft eine Umfrage, die sich an die Wiesbadener Jugendlichen richtet.
Soweit so gut, dem gegenüber stehen die harten Fakten, die zeigen, dass es in vielen Bereichen einen Rückgang der Fälle gibt. Bestimmte Delikte, wie zum Beispiel Verbrechen mit Stich- und Schlagwaffen haben jedoch zugenommen. Die Stadt reagierte darauf mit der umstrittenen Waffenverbotszone und einem umfassenden Sicherheitskonzept, dass bei Großveranstaltungen wie dem Stadtfest oder dem Sternschnuppen Markt erweitert wird.
Symbolfoto