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„Wir sind es Wert“ steht in große Lettern auf dem Plakat, dass die streikenden Verdi Mitglieder am Freitagmittag an der Spitze des Demonstrationszuges vor sich hertragen. Gut 1.200 Verdi Mitglieder haben sich, laut Schätzungen der Polizei, vom Hauptbahnhof aus auf den Weg gemacht, um mit Trillerpfeifen und Megafonen auf sich und ihre Forderung nach mehr Lohn aufmerksam zu machen. Eine Gruppe Demonstranten trägt Guggemusik-Instrumente und führt damit den Demonstrationszug rhythmisch an.
Viele tragen weiße Capes, auf denen ebenfalls: „Wir sind es Wert" steht. Auf dem Weg vom Bahnhof über den Gustav-Stresemann-Ring und die Frankfurter Straße sprühen einige den Slogan mit Schablonen auch auf die Straße. Konkret geht es um 6 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro mehr auf dem monatlichen Gehaltszettel.
In Höhe des Josefs-Hospitals grüßen die Demonstranten die Kolleginnen und Kollegen in der Klinik. Zwar wird dort heute nicht gestreikt, wie eine Demonstrantin mit Megafon bemerkt, aber erfolgreiche Verhandlungen würden sich auch dort auf die Löhne und Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken. Mark Schön, Erzieher im Kinderhaus Wiesbaden e.V. steht hinter dem Streik: "Wir Erzieher tragen Tag für Tag eine große Verantwortung für das Wohlergehen der Kinder. Die Arbeit ist körperlich und geistig eine Herausforderung und hat eine passende Vergütung mehr als verdient. Es kann nicht sein, dass das Gehalt in einer Stadt wie Wiesbaden kaum für die Lebenshaltungskosten reicht."
In das gleiche Horn stößt auch Marvin Jeuck. Der Auszubildende an der Klinik in Limburg ist mit 30 Kollegen nach Wiesbaden gereist, um die Fordrungen von Ver.di zu unterstützen. "Wir streiken auch für unsere Kolleginnen und Kollegen, die zu Hause die Stellung bei den Patienten halten." Neben einer besseren Bezahlung bewegt ihn jedoch auch noch ein weiteres Thema. "Die Pflege in Deutschland geht am Stock. Hier passt gar nichts zusammen. Wir arbeiten am Limit, zu wenig Personal für stetig steigende Patientenzahlen und immer mehr administrative Tätigkeiten lassen keine Zeit für die dringend notwendige menschliche Betreuung. Ein hoher Krankenstand bei den Pflegekräften spricht Bände. Auch an eine geregelte Freizeit und damit an ein entspanntes Privatleben ist nicht zu denken. Hier muss sich dringend etwas ändern", so Jeuck entschieden.
Noch bis zirka 13.00 Uhr ziehen die Demonstranten durch die Stadt, bevor sie sich zur Abschlusskundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz versammeln. Durch den Demonstrationszug und den Streik werden in und um Wiesbaden weitere Verkehrsbehinderungen erwartet. Wegen dem fehlenden Busverkehr sind viele Pendler auf das Auto umgestiegen, das führt zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen in der Stadt.
Trotz zahlreicher Ankündigungen wissen nicht alle über den Streik Bescheid. Am Bussteig vor dem Bahnhof steht Wolf-Peter Kaiser und wartet auf den Bus nach Bierstadt. Der Rentner ist heute morgen aus Langen in der Nähe von Ulm angereist, um die gotische Kirche in Bierstadt zu besuchen. Erstaunt musste er feststellen, dass es mit der Busfahrt heute nichts wird: "Ich habe Verständnis, als ich selbst noch gearbeitet habe, bin ich auch für meine Rechte eingetreten. Das mit dem Streik habe ich nicht mitbekommen, aber da die Sonne so schön scheint, mache ich mich jetzt zu Fuß auf den Weg nach Bierstadt", lacht der Rentner.
Weniger gelassen sieht die Wiesbadenerin Nicole Müller den Streik, sie ist von zu Hause, in der Nähe der Ringkirche, an den Bahnhof gelaufen und ist genervt. Das ihr Bus nach Hofheim, die X26, trotz des Streiks fährt, verbessert ihre Laune keineswegs. "Ich habe kein Verständnis für den Streik", sagt sie noch, bevor sie in den Bus nach Hofheim steigt.
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Foto: Alexander Schumann