ANZEIGE
Corona hat im letzten Jahr Einfluss auf alle Bereich des Lebens genommen. Auch auf die Kriminalität. So haben die Pandemie-Einschränkungen und die beiden Lockdowns Auswirkungen auf verschieden Deliktfelder gehabt.
Die Entwicklung der Kriminalität geht in Wiesbaden, mit kleineren Schwankungen, seit Jahren in eine Richtung: nach unten. Gleichzeitig steigen insgesamt die Aufklärungsquoten. Doch die neuesten Zahlen über das Geschehen in der hessischen Landeshauptstadt, die aus der am Freitag veröffentlichten “Polizeilichen Kriminalitätsstatistik“ (PKS) hervorgehen, zeigen deutliche Veränderungen, dieser Sondereffekt ist ganz klar auf die Pandemie zurückzuführen.
„Hinter uns liegt ein besonderes Jahr mit vielen, für die Polizei ganz neuen Herausforderungen. Seit März 2020 hat sich auch unser Arbeitsalltag verändert. Keine Fußballspiele, keine Großveranstaltungen, keine Feste, auf denen Einsatzkräfte für Sicherheit sorgen. Stattdessen gab es eine Verschiebung in den Aufgabenbereichen. Gemeinsam mit den Ordnungsämtern wurde die Einhaltung der Verordnungen bezüglich der Covid-19 Pandemie kontrolliert. Die Landespolizei stellte in Wiesbaden dabei 485 Ordnungswidrigkeiten fest“, erklärte Stefan Müller Westhessens Polizeipräsident bei der Pressekonferenz am Freitag.
Auch für die Polizei war die Corona-bedingte Umstellung große Herausforderung. „Homeoffice und Onlinemeetings, Abstand halten und Masken tragen waren auch für uns bis zum Ausbruch der Pandemie nicht an der Tagesordnung. Wir mussten unsere, Einsatzfähigkeit aufrechterhalten und gleichzeitig, wie jeder andere Arbeitgeber auch, die
Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen. Die Polizei hat jedoch die Sicherheit für die Bevölkerung rund um die Uhr zu garantieren, und das haben wir, trotz aller schwierigen Einflüsse, zu jeder Zeit gewährleistet“, erklärte Müller.
Die Pandemie wirkte sich allerdings positiv auf die Zahl der Straftaten aus. Die Kriminalitätszahlen haben in Wiesbaden ein Rekordtief erreicht. 2020 ist der niedrigste Wert seit über 36 Jahren zu verbuchen - seit der EDV-gestützten PKS. Konkret stellt sich die Lage wie folgt dar: Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei Wiesbaden 19.218 Straftaten. Um zu begreifen, wie wenig das ist, muss man zurückspringen ins Jahr 2019: Da waren es 20.131 Fälle gewesen - also 913 (ein Minus von 4,5 Prozent) wenig. Auch in den Jahren davor lag die Summe verlässlich über der 23.000er-Marke.
Die Wahrscheinlichkeit, in Wiesbaden Opfer einer Straftat zu werden, nahm somit im fünften Jahr in Folge ab. Auch die gefallene Häufigkeitszahl, also die Summe aller ermittelten Straftaten in Relation zu 100.000 Einwohnern, folgt mit 6.901 Fällen (-331) dem Hessentrend.
Dank besserer polizeilicher Arbeit konnte die Aufklärungsquote weiter erhöht werden. Diese ist auf dem höchsten Stand seit 1984 (65,6 Prozent).
Die sogenannte Straßenkriminalität dazu gehören Delikte im öffentlichen Raum, z.B. Sexual- und Raubdelikte, gefährliche und schwere Körperverletzung, Diebstahl sowie Sachbeschädigung, sind erfreulicherweise weiter rückläufig. Mit 3.693 Fällen wurde hier ein Rückgang von 4,3 Prozent verzeichnet, was den niedrigsten Stand seit 1989 darstellt.
Gerade die Entwicklung beim Straßenraub spiegelt das nun schon seit vielen Jahren andauernde besondere Engagement aller beteiligten Organisationseinheiten wieder. Mit 63 Taten (2019: 84) wird hier der niedrigste Stand seit 2007 verzeichnet. „Wir sind froh darüber, dass die polizeilichen Maßnahmen Wirkung zeigen.
Ob der Kontrolldruck innerhalb der Maßnahmen ‘Gemeinsam sicheres Wiesbaden‘ oder das noch konsequentere Vorgehen gegen sogenannte Mehrfach- und Intensivtäter. Straftäter müssen wissen, dass die Wiesbadener Polizei auch in Zukunft einen besonderen Schwerpunkt bei der Bekämpfung der Straßenkriminalität setzt, da sie einen besonderen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung hat", so Polizeidirektorin Susanne Rohlfing, stellvertretende Leiterin der Polizeidirektion Wiesbaden.
Deutlich zurückgegangen ist ein Delikt in Wiesbaden: Wohnungseinbrüche. Die Pandemie hat sich deutlich dieses Straffeld ausgewirkt. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank 2020 im Vorjahresvergleich um 18,3 Prozent auf 317 Taten. Da sich viele Personen im Homeoffice befanden, hatten Einbrecher wenig Möglichkeiten aktiv zu werden, da sie am liebsten unbemerkt agieren.
Auch im Sommer war das Zuhause mangels Urlaubsreise nicht wochenlang unbeaufsichtigt, so gab es kaum Gelegenheiten für Einbrecher.
Auch Dieben mangelte es an Tatgelegenheiten - sowohl im öffentlichen Raum, als auch in Häusern und Wohnungen. Der Kauf sowie der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit wurde eingeschränkt und fiel als "Treiber" bestimmter Straftaten weg. Der ÖPNV wurde weniger genutzt. Bei bestimmten Straftaten dürften die Verschiebungen durch die veränderten Gewohnheiten der Bevölkerung und die Beschränkungen der Mobilität beeinflusst sein:
Zugenommen haben allerdings in dem Corona-Jahr die Körperverletzungen in Wiesbaden. Besonders auf Straßen, Wegen und Plätze. Insgesamt verzeichnete die Polizei 412 Taten. 2019 waren es nur 372, das ist ein Anstieg um 40 (+10,7 Prozent). Aufgrund des Lockdowns waren die Wiesbadener:innen viel Zuhause. Die damit verbundenen Umstände führten zu einem starken Anstieg der häuslichen Gewalt. Die Polizei nahm 948 Fälle (+122 / +14,8 Prozent) auf.
Auch die Waren- und Warenkreditbetrügereien zogen um 56 auf 866 Taten an. Positiv zu erwähnen ist, das die Beamten:innen 84,0 Prozent der Delikte aufklären konnten - das ist ein Anstieg um 9,2 Prozent.
Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung blieb die Anzahl der bekanntgewordenen Fälle fast unverändert (2019: 254 / 2020: 258). Die Aufklärungsquote sank leicht auf 94,6%. Jedoch muss in diesem Deliktsfeld von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Bei dem Missbrauch von Kindern (-11 auf 38 Fälle) sowie der sexuellen Belästigung (-17 auf 32 Fälle) waren Rückgänge zu verzeichnen. Bei der Verbreitung pornografischer Schriften stiegen die Fallzahlen von 70 auf 96 Straftaten. Wie im Jahr zuvor, sind für diese Steigerung insbesondere mitgeteilte Verdachtsfälle durch das National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC), einer USamerikanischen
Nichtregierungsorganisation, ursächlich.
Das NCMEC übermittelt Hinweise auf Kinderpornografie bzw. Missbrauchshandlungen im Internet, sofern ein Bezug nach Deutschland festgestellt wird, an das BKA. Diese Unterlagen werden an die örtlich zuständigen Dienststellen übersandt und nach Überprüfung in entsprechende Ermittlungsverfahren umgewandelt.
Bei der hessischen Polizei werden Ermittlungen in den Deliktsbereichen sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sowie gegen Kinderpornographie in der neu geschaffenen Einheit BAO FOKUS gebündelt. Sie hat am 1. Oktober 2020 ihre Arbeit aufgenommen, wird vom Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) in Wiesbaden zentral gesteuert und hat in sämtlichen Polizeipräsidien Regionalabschnitte, so auch im Polizeipräsidium Westhessen.
Die Kriminalpolizei in Wiesbaden setzt in diesem Zusammenhang seit dem 1. Oktober .2020 mit 15 Polizistinnen und Polizisten einen deutlichen personellen Schwerpunkt und hat inzwischen 650 Ermittlungsvorgänge in der zentralen Zuständigkeit für den gesamten Präsidiumsbereich angelegt, von denen ca. 350 bereits abgeschlossen sind. Es wurden 79 Durchsuchungen durchgeführt und mehr als 2.300 Beweismittel sichergestellt.
Die Neuinstallation bzw. Modernisierung der Videoschutzanlage in Wiesbaden überwacht seit einem Jahr vier Bereich in Wiesbaden. Das ist zum einem der Platz der Deutschen Einheit sowie die darum liegenden Straßenzüge, der Bereich rund um den Hauptbahnhof, den Kreuzungsbereich Schwalbacher sowie Dotzheimer Straße und einen Bereich am Schlachthof. Nach einer mehrmonatige Testphase ab März ging diese bis August offiziell in Betrieb.
Bei der Neuinstallation wurden insgesamt 72 hochauflösende Kameras inklusive modernster Auswertetechnik in zwei Schutzzonen installiert.
Präventiv wird die Videoschutzanlage regelmäßig bei Einsatzmaßnahmen der Wiesbadener Polizei genutzt. In der gemeinsamen Einsatzkonzeption von Stadt und Polizei, "Gemeinsam sicheres Wiesbaden", spielt sie eine wichtige Rolle. Parallel zu den Einsatzkräften, die in der Innenstadt unterwegs sind, sitzt ein Polizist:in am Auswerteplatz im 1. Polizeirevier und sichtet die Bilder der Überwachungskameras mit folgenden Fragestellungen:
Bei entsprechenden Auffälligkeiten werden die zivilen und uniformierten Kräfte dann über Funk zum Kontrollort gelotst. In der Leitstelle des Polizeipräsidiums Westhessen werden die Videoaufnahmen permanent auf vier große Bildschirme in den Bereich übertragen, in dem die Notrufe rund um die Uhr angenommen und Einsätze disponiert werden. Darüber ist nicht nur die Live-Beobachtung immer wieder gewährleistet, sondern auch bei Lagen im videoüberwachten Bereich zeitnah eine erweiterte Beurteilung möglich, welche die Erstmaßnahmen zielgerichteter steuern lässt.
Die Aufnahmen können an insgesamt vier Standorten der Wiesbadener Sicherheitsbehörden eingesehen werden: Der Stadtpolizeiwache in der Mauritiusgalerie, dem 1. Polizeirevier am Platz der Deutschen Einheit, der Leitstelle des Polizeipräsidium Westhessen am Konrad-Adenauer-Ring sowie bei Bedarf in der polizeilichen Befehlsstelle der Brita-Arena.
Mit Hilfe der neuen Videoschutzanlage konnte das Polizeipräsidium Westhessen von März 2020 bis März 2021 insgesamt 57 Tatverdächtige ermitteln. Sie wurden bei der Tatbegehung (45 Fälle) oder in der Vor- oder Nachtatphase (12 Fälle) videografiert.
„Mit Hilfe der generierten Aufnahmen konnten Tathandlungen genauer nachvollzogen, Ermittlungen zielgerichteter gesteuert und Lichtbilder von Tatverdächtigen abgerufen werden“, berichtete erfreut Stefan Müller.
Bei den 57 Delikten handelte es sich u.a. um 21 Körperverletzungsdelikte, vier Raubstraftaten, vier Widerstandshandlungen, sieben Diebstähle, zwei Verstöße gegen das Waffengesetz, einen Handel mit Betäubungsmitteln, zwei Bedrohungen und zwei Sexualdelikte. Der gravierendste Fall war ein versuchtes Tötungsdelikt im Sommer 2020.
„Nach einem Jahr Echtbetrieb hat dieser wichtige Baustein der Wiesbadener Sicherheitsarchitektur seinen Nutzen mehr als unter Beweis gestellt. Innerhalb eines Jahres konnten wir mit Hilfe der Videoschutzanlage im Schnitt jede Woche eine Straftat klären. Sie ist aus der Ermittlungsarbeit nicht mehr wegzudenken, da sie ein Tatgeschehen klar, eindeutig und objektiv dokumentiert“, so Müller zu dem neuen und wichtigen Hilfsmittel.
Vor vier Jahren wurde eine Zunahme von Rasern und Posern in Wiesbaden regestiert. „Vereinzelt berichteten Anwohner von rasant durch die Innenstadt fahrenden Fahrzeugen oder beschwerten sich in Teilen durch den von hochdrehenden Motoren verursachten Lärm. Auffällige Fahrzeuge, sichtbar in der Optik verändert, begannen immer wieder durch die Innenstadt zu kreisen“, erklärte Florian Thrun vom Regionaler Verkehrsdienst Wiesbaden.
Die Wiesbadener Polizei reagierte mit zunächst Geschwindigkeitskontrollen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ein verstärktes Augenmerk, auch von zivilen Einsatzkräften, bzgl. der "aufgemotzten" und von jungen Fahrern gelenkten Fahrzeugen, „wurde in der Folge Teil der täglichen Arbeit“, so Thrun weiter. „Während zu Beginn die Kontrollen aus dem Wechselschichtdienst heraus erfolgten, wurde schnell klar, dass für dieses weite Themenfeld Spezialisten benötigt werden. Die Stelle eines qualifizierten Koordinators Verkehrsüberwachung, Schwerpunkt Raser/Poser, wurde innerhalb des Regionalen Verkehrsdienstes (RVD) der Polizeidirektion Wiesbaden angesiedelt. Inzwischen widmet sich eine spezielle Einheit, die Kontrollgruppe Argus, dieser Thematik.
So konnten Beamten:innen des Regionalen Verkehrsdienstes der Polizeidirektion Wiesbaden im Bereich "Raser/Poser" insgesamt 592 Kraftfahrzeuge kontrollieren. Damit einhergehend wurden 757 Personen (Fahrzeugführer und Mitfahrer) einer Kontrolle unterzogen.
Bei 139 dieser Pkw führten die Kontrollen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Gründe hierfür können zum Beispiel Manipulationen an der Auspuffanlage, eine falsche, nicht für dieses Fahrzeug zugelassene Rad-Reifenkombination oder Veränderungen an der Karosserie sein.
44 Autos wurden an Ort und Stelle sichergestellt - davon 25 nach einem festgestellten Fahrzeugrennen und 19 zur gutachterlichen Überprüfung.
1.440 gemessene Geschwindigkeitsverstöße hatten 144 Bußgelder sowie 45 Fahrverbote zur Folge. 20 illegale Fahrzeugrennen (2019 waren es 10) nach § 315 d StGB wurden durch die Fachdienststelle Bearbeitet, vier davon endeten mit einem Verkehrsunfall, welche glücklicherweise ohne weitreichendere Folgen blieben.
In 167 Fällen wurden sogenannte "Mängelanzeigen" gefertigt, welche den jeweiligen Fahrer:innen verpflichten, innerhalb einer gewissen Frist Mängel an ihrem Pkw zu beseitigen und mit dem Fahrzeug dann erneut bei der Polizei vorstellig zu werden.
„1.440 Geschwindigkeitsverstöße und 44 sichergestellte Fahrzeuge sind ein beeindruckendes Ergebnis", so die stellvertretende Leiterin der Polizeidirektion Wiesbaden, Polizeidirektorin Susanne Rohlfing. „Jede Kontrolle und jedes verkehrsunsichere Fahrzeug, welches durch unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Verkehr gezogen wurde, erhöht die Sicherheit auf Wiesbadens Straßen. Wir werden weiterhin in diesem Bereich äußerst präsent sein, um möglichst viele sich anbahnende Fahrzeugrennen sofort zu beenden und damit eine Gefährdung Unbeteiligter auszuschließen."
P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie Fan von Wiesbadenaktuell.de und folgen Sie uns auch auf Instagram!