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2020 ist die Kriminalitätsbelastung in Hessen im vierten Jahr in Folge erneut deutlich gesunken. Mit genau 342.423 Straftaten wurden 22.410 Fälle weniger gezählt als noch im Vorjahr (- 6,1 Prozent). Das ist der niedrigste Wert seit 1980. Die Kriminalitätsbelastung ist mit 5.446 Straftaten pro 100.000 Einwohner ebenfalls weiter gesunken (2019: 5.823). Die Gefahr, in Hessen Opfer von Kriminalität zu werden, ist damit auf einem historischen Tiefstand. 65,5 Prozent der polizeilich bekannt gewordenen Straftaten wurden letztes Jahr aufgeklärt. Das ist nach 2019 (65,2 Prozent) erneut der mit Abstand höchste jemals gemessene Wert, seit Einführung der Kriminalstatistik im Jahr 1971.
Der hessische Innenminister Peter Beuth dankte anlässlich der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 Landespolizeipräsident Roland Ullmann stellvertretend für alle Polizistinnen und Polizisten für die herausragende Arbeit in einem für die hessische Polizei sehr herausfordernden Jahr. „Auch für die hessische Polizei war das Pandemiejahr 2020 sehr herausfordernd. Trotz dieser erschwerten Bedingungen hat unsere Polizei neue Bestwerte in der Kriminalitätsbekämpfung erzielt. Die positiven Trends der Vorjahre haben sich auch im letzten Jahr fortgesetzt. Die Pandemie hat teils neue Deliktsformen hervorgebracht aber sich insgesamt nur mäßig auf die Kriminalitätswerte ausgewirkt. Dass die Allgemeinkriminalität im vierten Jahr in Folge zurückgegangen ist, kann nur teilweise durch die notwendig gewordenen Einschränkungen der Corona-Pandemie erklärt werden. Doch natürlich drückte auch der Corona-Lockdown durch fehlende Tatgelegenheiten die Fallzahlen. Diese positive Entwicklung ist eine sehr gute Nachricht für alle Bürgerinnen und Bürger. Sie leben in einem Land, in dem die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, weiter deutlich gesunken und die Aufklärung von Straftaten im fünften Jahr in Folge gestiegen ist.“
Durch die coronabedingte Absage von Großveranstaltungen wie Konzerte oder Fußballspiele, kam es in 2020 zu einer Aufgabenverschiebung für die hessische Polizei. Die Beamtinnen und Beamten unterstützten dafür die Gesundheits- und Ordnungsämter bei Maßnahmen zur Einhaltung der Corona-Verordnungen oder begleiteten verstärkt Demonstrationen. Im Zeitraum vom 18. März 2020 bis 28.02.2021 mussten dennoch 19.753 Ordnungswidrigkeiten im Zuge der Amtshilfe allein von der Polizei aufgenommen werden. 67 Prozent hiervon entfielen auf Verstöße gegen die geltenden Kontaktbeschränkungen, rund 16 Prozent auf das Nicht-Tragen eines Mund-Nase-Schutzes, neun Prozent auf Missachtung der geltenden Ausgangsbeschränkungen sowie vier Prozent auf Verstöße gegen die Betriebsbeschränkungsverordnung.
Betrüger haben im vergangenen Jahr die Pandemie für sich entdeckt und zahlreiche neue Maschen entwickelt. Ob Corona-Anruf, vermeintliche Mitarbeiter von Gesundheitsämtern vor der Haustür, Schadsoftware, E-Mails oder Fake-Shops für Schutzmasken und Desinfektionsmittel im Internet: Eine Auswertung der hessischen Polizei seit Pandemiebeginn verdeutlicht, dass sich die Hessinnen und Hessen gegenüber sogenannten Corona-Maschen sehr widerstandsfähig zeigen. In vier von 60 Fällen kamen die Täter aber leider zum Ziel.
Auch die Corona-Beschränkungen haben dazu geführt, dass Straftaten im öffentlichen Raum sanken. So gab es 56.438 Fälle von Straßenkriminalität und damit 2.203 Fälle weniger (-3,8 Prozent) als 2019. Dem gegenüberstehend stellte die Polizei im Bereich der Straßenkriminalität vermehrt eine Zunahme des Motorrad- und Moped-Diebstahls (um 197 auf 1.719 Fälle, +12,9 Prozent) sowie eine Zunahme von Sachbeschädigungen durch Graffiti auf Straßen und öffentlichen Wegen fest (um 268 auf 1.348 Fälle, +24,8 Prozent). Die Fallzahlen im Bereich der Körperverletzungsdelikte auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen erfuhren einen minimalen Anstieg um 122 Fälle auf 4.418 Fälle (2,8 Prozent).
Neben einer starken polizeilichen Präsenz im öffentlichen Raum sind moderne Videoschutzanlagen in den Städten und Gemeinden seit mittlerweile 20 Jahren ein fester Baustein für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum. 2020 waren in Hessen bei den sieben Polizeipräsidien in 19 Städten 24 Schutzzonen mit insgesamt 263 Kameras zur gemeinsamen Nutzung von Polizei- und Gefahrenabwehrbehörden zur Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze in Betrieb (2019: 19 Städte, 23 Schutzzonen und 204 Kameras). In diesen 24 Schutzzonen konnten rund 2.265 Straftaten aufgezeichnet werden, die im Rahmen von Ermittlungen verwendet oder gar zur Klärung von Straftaten beitragen konnten.
Insbesondere Wohnungseinbrüche sind 2020 – auch mangels Tatgelegenheiten wegen Lockdown und Homeoffice – in Hessen signifikant zurückgegangen. So erfasste die Polizei insgesamt 5.165 Fälle im vergangenen Jahr und damit einen deutlichen Rückgang von 23,7 Prozent (2019: 6.768 Fälle). Auch die Zahl der vollendeten Delikte hat spürbar abgenommen. Nach 3.730 in 2019 drangen im vergangenen Jahr nur noch 2.700 Kriminelle in Hessen in private Wohnungen ein. Mittlerweile scheitert damit jeder zweite versuchte Wohnungseinbruch.
In Hessen geht die Anzahl von Wohnungseinbrüchen seit Jahren zurück. Während die hessische Polizei vor 20 Jahren noch 8.766 vollendete Wohnungseinbruchdiebstähle zählte, waren es 2020 nur noch 2.700 vollendete Delikte, die zur Anzeige gebracht wurden. Dies entspricht einem bemerkenswerten Rückgang von rund 60 Prozent.
Letztes Jahr wurden insgesamt 10.013 Fälle von Häuslicher Gewalt erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr 2019 stellt dies eine Zunahme von 7,7 Prozent dar. Wie im Bund steigen die Zahlen seit 2014 auch in Hessen kontinuierlich an. 80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt waren im vergangenen Jahr Frauen.
„Wer Opfer von häuslicher Gewalt wird, sollte sich umgehend helfen lassen. Die Polizei hat die Möglichkeit, Täter für bis zu 14 Tage der gemeinsamen Wohnung zu verweisen und auch ein Kontaktverbot auszusprechen. Opfer können diesen Zeitraum nutzen, um bei Gericht eine Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu beantragen. Platzverweise werden erteilt und durchgesetzt. Trotz Corona-Regeln stehen Hotels und Pensionen für verwiesene Personen zu Verfügung“, sagte Landespolizeipräsident Roland Ullmann.
Seit vielen Jahren steigen die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten kontinuierlich an. Die Mehrzahl der für den Polizeialltag typischen Widerstandshandlungen entsteht aus niedrigschwelligen Kontrollsituationen von alkoholisierten Personen bzw. Personengruppen im städtischen Bereich. Obwohl bereits im vergangenen Jahr größere Volksfeste ausfielen oder Gaststätten monatelang geschlossen bleiben mussten, wurden Polizeibeamtinnen und -beamte bei Ausübung ihres Dienstes nahezu genauso häufig wie 2019 mit verbalen und körperlichen Angriffen konfrontiert. 4.104 Übergriffe auf die Beamtinnen und Beamten wurden erfasst. 86 Übergriffe wurden auf Rettungskräfte (2019: 112) und 15 auf Feuerwehrleute (2018: 15) registriert.
2018 und 2019 stiegen die Fallzahlen im Bereich Internetkriminalität aufgrund eines mittlerweile abgeschlossenen größeren Ermittlungsverfahrens deutlich an. Die Anzahl der Straftaten, die mit dem Tatmittel Internet 2020 erfasst wurden, ist nun von 35.606 auf 27.763 Fälle und damit um 22 Prozent gesunken. Der Fünf-Jahres-Vergleich verdeutlicht jedoch, dass die Anzahl der erfassten Straftaten grundsätzlich steigt. Mit über 70 Prozent dominieren hierbei vor allem Vermögens- und Fälschungsdelikte. Im vergangenen Jahr entstand hierbei ein Vermögensschaden von 17 Millionen Euro.
Dass sich aufgrund der Corona-Pandemie Straftaten verstärkt ins Internet verlagert haben, lässt sich anhand der Kriminalstatistik nicht belegen. Allerdings hat die hessische Polizei eine signifikante Steigerung im Bereich „Phishing“ festgestellt.
Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung kam es im vergangenen Jahr zu einem Anstieg um 792 Fälle (+ 16,5 Prozent) auf insgesamt 5.595 Straftaten. Die Zunahme in diesem Deliktsbereich liegt insbesondere in einer Steigerung (+ 628 Fälle) des Delikts „Verbreitung pornografischer Schriften“ (§ 184 ff. StGB) sowie in der besseren Strafverfolgung sexueller Missbrauchsdelikte an Kindern (§ 176 StGB) begründet, von denen weitere 94 Fälle erfasst werden mussten.
Im vergangenen Jahr sind die von der Polizei erfassten Fallzahlen im Bereich Kinderpornografie um 44,5 Prozent auf 1.449 Fälle angestiegen. Die Fallzahlensteigerung liegt im Wesentlichen in neuen gesetzlichen Meldeverpflichtungen US-amerikanischer Internet-Provider begründet, die strafbares Nutzerverhalten innerhalb ihrer angebotenen Dienste über eine Non-Government- Organisation (NGO) unmittelbar und automatisiert an die zuständigen nationalen Behörden zur Einleitung von Strafverfahren übermitteln müssen.
Bei der hessischen Polizei werden Ermittlungen in den Deliktsbereichen sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sowie gegen Kinderpornographie in der neugeschaffenen Einheit BAO FOKUS gebündelt und intensiviert geführt. Die BAO FOKUS hatte am 1. Oktober 2020 ihre Arbeit aufgenommen. Seit Oktober 2020 bis heute wurden in Hessen 269 Durchsuchungsbeschlüsse für Wohnungsdurchsuchungen und zur Sicherstellung von IT-Geräten seitens der BAO FOKUS vollstreckt. Den Beschuldigten wird dabei immer wieder der Erwerb und Besitz von Kinder- und Jugendpornografie oder der sexuelle Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Hierbei wurden insgesamt 296 PCs und Notebooks, 29 Spielekonsolen, 654 mobile Endgeräte (Smartphones, Mobiltelefone, Tablets) sowie 129 Festplatten, 789 externe Speichermedien und ca. 4.327 optische Datenträger (CD, DVD, Blu-Ray) sichergestellt. Zudem konnten fünf Haftbefehle vollstreckt werden. Schon im Oktober konnte ein Sexualstraftäter aus Hessen in Frankreich festgenommen werden, dem sexueller Missbrauch an Kindern in 122 Fällen zur Last gelegt wird.
Für den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) wurden für 2020 insgesamt 2.488 Straftaten registriert. Im Vergleich zum Vorjahr mit 1.638 Straftaten bedeutet dies einen Anstieg um 850 Fälle (+ 52 Prozent).
Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität -rechts- sind die Fallzahlen in den vergangenen beiden Jahren deutlich angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr ist eine Fallzunahme von 350 Fällen (+38 Prozent) auf insgesamt 1.270 Fälle zu verzeichnen. Der hohe Anstieg resultiert insbesondere aus einer Vielzahl strafrechtlich relevanter Hasskommentare im Internet, die in Bezug mit dem Tötungsdelikt an Dr. Walter Lübcke 2019 sowie dem Anschlag von Hanau standen. Der starke Anstieg der rechtsmotivierten Kriminalität ist im Wesentlichen auf eine deutliche Zunahme von Delikten im Zusammenhang mit Volksverhetzung (+185 Delikte, +57 Prozent) zurückzuführen. Als wesentliche Teilmenge der PMK rechts wurden 128 antisemitische Straftaten registriert und damit 52 Vorfälle mehr, als noch im Vorjahr.
Zudem zählt die Kriminalstatistik für das Jahr 2020 neun politisch rechts motivierte Morde auf. „Das Attentat vom 19.02.2020 in Hanau hat Hessen und ganz Deutschland tief getroffen. Die kaltblütigen Morde sind nicht nur Ziffern in der Kriminalstatistik, sie sind Mahnung und Motivation stetig daran zu arbeiten, dass wir eine weltoffene und freiheitsliebende Gesellschaft bleiben. All jenen, die diese Grundüberzeugungen – aus welchem Motiv auch immer – angreifen oder sie gewaltsam verändern wollen, werden wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen“, so der Innenminister.
Mit 682 gemeldeten Straftaten wurde 2020 für den Bereich der politisch motivierten Kriminalität -links- ein massiver Anstieg um 463 Straftaten (+ 211 Prozent) registriert (2019: 219). In Bezug auf die Gewaltdelikte ist ein Anstieg von um 124 auf insgesamt 140 Fälle zu verzeichnen (+755 Prozent). Den deliktischen Schwerpunkt der Gesamtstraftaten bildeten szenetypisch unvermindert Sachbeschädigungsdelikte (289 Fälle) mit rund 42 Prozent. Der Anstieg von Straftaten im Bereich der PMK links liegt in 375 Straftaten politisch links stehender Ausbaugegner begründet, die im direkten Zusammenhang mit dem Ausbaus der BAB 49 (Dannenröder Forst) standen. Bei der Begleitung der Rodungsarbeiten registrierte die Polizei allein 131 Gewalttaten.
40 gemeldete Fälle für das Jahr 2020 im Bereich der PMK -religiöse Ideologie- bedeuten im Vergleich zum Vorjahr ein nahezu gleichbleibendes Niveau (2019: 37). Insgesamt wurden dem Landeskriminalamt in diesem Phänomenbereich neun Straftaten mit angenommenem terroristischem Hintergrund gemeldet. Diese sind überwiegend dem Themenfeld Islamismus/Fundamentalismus zuzurechnen.
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Symbolfoto